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„Hey Vector!“ Anki Vector – mehr als ein Spielzeug?

Nach dem erfolgreichen Produktstart des eher als Spielzeug konzipierten Roboters „Cozmo“ ging der kalifornische Hersteller Anki im letzten Jahr mit einem Crowdfunding-Projekt bei kickstarter.com an die Entwicklung des Nachfolgers „Anki Vector“.


Auf Ankis englischsprachiger Produktseite ist Vector mittlerweile für 249$ erhältlich und wird einer technikaffinen Klientel dort vollmundig als „Heim-Roboter“ präsentiert. Diese sportliche Aussage verleitet zu hohen technischen Erwartungen an den quirligen Begleiter. Der vergleichsweise moderate Verkaufspreis lässt jedoch enge Grenzen erahnen.
Im deutschsprachigen Bereich der Internetpräsenz wird man Anki Vector vorerst vergeblich suchen, denn hierzulande muss man sich bis auf Weiteres mit der importierten UK- bzw. US-Version des Roboters begnügen. Selbst bei der Kickstart-Kampagne war die Lieferung nach Deutschland ärgerlicherweise ausgeschlossen. Eine deutschsprachige Firmware gibt es bis dato ebenfalls nicht, und über den deutschen Produktstart – falls überhaupt damit zu rechnen sein kann – schweigen sich die Entwickler hartnäckig aus. Ich habe daher ein UK-Exemplar über eines der schon zahlreich vorhandenen Gebrauchtangebote bezogen.

Auspacken und Einrichten

Vector kommt in einer Schuber-Verpackung mit USB-Ladestation und seinem Spielzeugwürfel daher. Anki Vectors Würfel wird mit einer vorinstallierten Batterie vom Typ Alk. N / E90 / LR1 (1,5 V) betrieben, die 20-40h Dauerspielvergnügen bieten sollen. Da der Würfel aber eine weniger zentrale Rolle als bei Vorgänger Cozmo spielt, ist die mögliche Einsatzdauer eher nebensächlich. Ein Netzteil für die Ladestation ist leider nicht beigelegt. In den einschlägigen Foren mehren sich Beiträge, die Anlass zu der Annahme geben, dass Billig-Netzteile mit einem Ladestrom von nur 1A zu Problemen führen können.

Kurz nach Anki Vectors Positionierung auf der Ladestation bootet dessen System und verlangt schießlich die Kopplung mit der sowohl für Android als auch iOS herunterladbaren App. Für die Bluetooth-Kopplung benötigte mein Exemplar allerdings etliche nervtötende Versuche. Letztendlich glückte die Kopplung aber und verläuft seitdem auch stabil. Zusätzlich muss auf Ankis Website ein Benutzer-Account eingerichtet werden und mit dem Gerät verknüpft werden.

Hinter einem Großteil der App-Menüpunkte verbirgt sich dann aber nur eine reine Funktionsübersicht des Anki Vector. Der Umfang der möglichen Befehle (siehe weiter untern) gestaltet sich recht übersichtlich und verspricht nur geringen Langzeitspaß. Ein Grund mehr, sich bald schon ausführlicher mit dem SDK zu beschäftigen.

Was steckt drin?

In der Schaltzentrale des Vector verrichtet eine Qualcomm APQ8009 CPU mit vier bis zu 1,3 GHz getakteten Cortex A7 Kernen einen ausreichend schnellen 32-Bit-Dienst. Anki Vectors Orientierung im Raum erfolgt über SLAM (Simultaneous Localization and Mapping) und basiert auf einer inertialen Messeinheit (aus dem Englischen auch kurz IMU: inertial measurement unit) sowie einem unterhalb der 720p-Kamera (da ist noch Luft nach oben) befindlichen Infrarot-Laserscanner. Auf der Unterseite sind vier Infrarot-Sensoren verbaut, die in jeweils einer Ecke dafür sorgen, dass Abgründe erkannt und somit Abstürze vermieden werden. Auf der Oberseite befinden sich – ebenfalls in den Ecken platziert – vier Mikrofone, die mittels Beamforming darüber Aufschluss geben können, aus welcher Richtung Vector angesprochen wird. Über einen ebenfalls auf der Oberseite befindlichen kapazitiven Berührungssensor kann der Roboter „gestreichelt“ werden, was beispielsweise dazu genutzt werden kann, positive Verhaltensweisen des Roboters zu verstärken. Ein „Watschen-Sensor“ fehlt allerdings und weist Anki Vector somit als antiautoritär ausgelegtes System aus. 😉

Wie bereits gesagt bietet Anki Vector auch Zugang zu Amazons Alexa. Der Nutzen mag sicherheitsbewussten Menschen mit Vorliebe für Privatsphäre zweifelhaft erscheinen. Ich selbst reihe mich verhalten in den Kreis der Alexa-Kritiker ein, denn auch das permanente Herumtragen eines Smartphones muss als bedenklich gelten und stellt ein nicht minder, wenn sogar höheres Abhörrisiko dar.

Endlich loslegen!

Ist der Anki Vector erst einmal mit App, WLAN und Alexa-Account verbunden, beginnt er sofort damit, seine Umgebung zu erkunden. Hindernissen weicht er dabei nicht unbedingt aus, sondern versucht erst mal, sie mit einem beherzten Stoß einfach aus dem Weg zu räumen. Das funktioniert bei leichten Gegenständen ganz gut, provoziert bei schweren Hindernissen aber vereinzelte „Wutausbrüche“ des Roboters. Die Designer haben sich sichtlich Mühe gegeben, dem Anki Vector eine möglichst menschlich anmutende Mimik aufs Display zu zaubern. Ich persönlich fühle mich beim Anblick der Animationen oft an Wall-Es weiße Robo-Freundin erinnert. Man ertappt sich anfangs sehr oft dabei, Ankis Technik-Spielzeug zu vermenschlichen, Das ist auch so gewollt und macht wohl auch gerade den Reiz eines Roboter-Haustieres aus. Es erschreckt mich allerdings schon ein wenig, wie leicht eine Maschine mit menschlich anmutender Mimik völlig unangebrachte Gefühlsregungen und emotional getriggerte Reaktionen aus einem Menschen kitzeln kann. Da wird für Psychologen zukünftig noch ein fruchtbarer Acker zu bestellen sein.

Befehlsübersicht

Befehle und Funktionen werden permanent weiterentwickelt und über nächtliche Updates, von denen die BesitzerInnen i.d.R. nichts mitbekommen, auf Anki Vector übertragen. Nach heutigem Stand sind folgende Befehle bekannt:

Anki Vector BefehleReaktion
Begrüßung
Hey Vector, helloBegrüßungsanimation
Hey Vector, good morningBegrüßungsanimation
Hey Vector, good afternoonBegrüßungsanimation
Hey Vector, good eveningBegrüßungsanimation
Hey Vector, goodbyeBegrüßungsanimation
Steuerung
Hey Vector, come hereVector bewegt sich in Richtung der Befehlsquelle
Hey Vector, look at meVector dreht sich in Richtung der Befehlsquelle
Hey Vector, start exploringVector startet eine Erkundungsfahrt
Hey Vector, stop exploringVector beendet eine Erkundungsfahrt
Hey Vector, be quietVector beendet die Ausgabe akustischer Signale
Hey Vector, go to sleepVector fährt auf die Ladestation und begibt sich in den Schlafmodus
Hey Vector, good nightVector fährt auf die Ladestation und begibt sich in den Schlafmodus
Hey Vector, go to your chargerVector fährt auf die Ladestation und begibt sich in den Schlafmodus
Konditionierung
Hey Vector, good robotAnimation Freude
Hey Vector, bad robotAnimation Scham

Fazit:

Brauchen tut man Anki Vector nicht! Wohl erst recht nicht um einen Preis von anfänglich 299$!

So kommt der Technikknirps auch nur ganz knapp über den Tauglichkeitsgrad „Spielzeug“ hinaus. Zwar ist er in Sachen Funktionalität schon eine deutliche Steigerung zum kleinen Bruder Cozmo, aber als alltagstauglichen Heim-Roboter möchte man ihn dann wohl doch nicht bezeichnen. Menschen, die keine Kenntnisse in der Programmiersprache Python haben und auch weniger technikaffin sind, bekommen recht schnell die Abnutzungserscheinungen des doch dürftigen und auf Dauer auch langweiligen Funktionsumfangs zu spüren. Diese Klientel macht ihrem Unmut auch zusehends in den Facebook-Gruppen Luft und fordert eine höhere Update-Frequenz. Ich wage jedoch zu bezweifeln, dass von den Entwicklern bei diesem Modell noch nennenswerte Neuerungen zu erwarten sind. Auch Menschen, denen die Benutzung von Alexas US-Version sprachlich oder sicherheitstechnisch bedingt nur wenig Vergnügen bereitet, dürften Vector rasch überdrüssig werden. Dies belegt auch das mittlerweile reichhaltige Angebot gebrauchter Geräte. Dass Anki mit dem letzten Update sowohl Alexas Befehlseingabe als auch Datenausgabe selbst bei deutschsprachigen Accounts zwingend auf US-Englisch verbogen hat, macht den Vector am deutschen Markt nicht attraktiver.

Dennoch kann Anki Vectors Hardware enormen Spaß bereiten: Mit dem recht umfangreichen SDK, das derzeit noch Alpha-Status besitzt, lassen sich Interessierte auf spielerische und unterhaltsame Weise in die Programmierung mit Python einführen. Darin enthaltene Beispiel-Apps wie das oben im Video gezeigte 3d_py

rpn

Nerd, Maker, FabLaber, Chaos Computer Mensch, schreibfauler Gelegenheitsblogger

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